Die Grenzen der Rationalität
In Beispiel 17 ging es um Schmerzen im Arm, die irrtümlich als Einschränkung angesehen wurden, obwohl sie aber eigentlich keine sind. Gleichzeitig ist es aber ebenso denkbar, dass Schmerzen im Arm als Folge einer tatsächlichen Überlastung entstehen und dann wäre es nötig, die überlastende Aktivität auszusetzen oder zumindest zu reduzieren. Die Frage, wie mit Schmerzen im Arm umzugehen ist, kann demnach auf rationalem Wege nicht entschieden werden. Rational entscheidbar wäre sie dann, wenn man beispielsweise allgemein sagen könnte: „Wenn Schmerzen im Arm auftreten, dann braucht der Arm Ruhe“ oder entgegengesetzt: „Die Schmerzen stellen keine Einschränkung für Aktivitäten dar.“
Aber es ist weder nur das eine, noch nur das andere, sondern es kann je nach Situation mal das eine und mal das andere sein. Es werden deshalb für den Umgang mit körperlichen Symptomen andere Kriterien von außerhalb des rationalen Schlussfolgerns benötigt. Die menschliche Psyche besitzt die Fähigkeit, Entscheidungen dieser Art zu treffen, aber sie werden durch das gegenwärtige Denken weitgehend ausgeschaltet. Ich bezeichne das als „rationale Isolation“. Das menschliche Gehirn arbeitet im gegenwärtig konditionierten Modus nahezu ausschließlich rational. Das heißt, es nimmt bestimmte Ideen als Grundlage an und schlussfolgert dann. Bei der Auswahl der Grundideen stützt es sich auf Ansichten von Menschen, die als Autoritäten angesehen werden (Expertenmeinungen). Das funktioniert im Grunde überall dort, wo Entscheidungen auf objektiver (nicht individueller) Grundlage zu treffen sind. Aber im hier angesprochenen Fall geht es um eine subjektive (individuelle) Entscheidung und die erfordert eine Verbindung des rationalen Teils der Psyche zur eigenen konkreten Situation des Körpers. (Ich hatte das an früherer Stelle bereits als „energetische Ebene“ in Abgrenzung zur „rationalen Ebene“ bezeichnet.)
Um in Fragen der Heilung des eigenen Körpers kompetente Entscheidungen treffen zu können, muss die menschliche Psyche lernen, auf eine neue Weise zu funktionieren. Ich bezeichne das als „erweiterten, ganzheitlichen Geist“. Im Unterschied zur „rationalen Isolation“ findet in diesem Modus ein enger Informationsaustausch zwischen rationaler und energetischer Ebene statt. Ich hatte bereits im Kapitel über Heilung erwähnt, dass eine solche Verbindung möglich ist. Hergestellt wird sie durch „den Fluss der Gefühle“.
Die Gefühle stellen einen Energiefluss innerhalb des Gesamtsystems von Psyche und Körper dar. Das gegenwärtige wissenschaftliche Denken hat eine Tendenz, all das als nicht-existierend anzunehmen, was nicht mit technischen Mitteln messbar ist. Das wäre im Zusammenhang mit den Gefühlen als Energiefluss aber ein Fehler, denn obwohl dieser Energiefluss vielleicht nicht technisch messbar ist, kann die menschliche Psyche ihn in aller Klarheit wahrnehmen. Er steht nur aufgrund der aktuellen Konditionierung nicht im Fokus der Aufmerksamkeit.
In der gegenwärtig überwiegend vorherrschenden Funktionsweise der menschlichen Psyche ist der Fluss der Gefühle nahezu vollständig blockiert. Das ist der Grund, warum die Verbindung zwischen rationalem Teil der Psyche und energetischer Ebene nicht funktioniert. Die Blockade entsteht durch ein Verhalten, das ich bereits im Kapitel über Heilung beschrieben hatte:
Wenn eine aktuelle Situation oder zukünftige Entwicklung verneint wird, initiiert die Psyche sofort irgendeine Art von Reaktion (Aktionismus) und zwar unabhängig davon, ob die erfolgte Verhaltensänderung tatsächlich eine Lösung darstellt oder nicht. Diesem Verhalten liegt der Irrtum zugrunde, dass jegliches Verhalten auf ein Ziel zu schon irgendwas zu diesem Ziel beitragen wird und das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil erreichen viele dieser vorschnellen Reaktionen genau das Gegenteil des Angestrebten.
Im Kapitel über Heilung hatte ich als Alternative erläutert, dass sich die Psyche der Situation, keine Lösung zu haben, emotional aussetzt. Genau dieses Verhalten aktiviert den Fluss der Gefühle und stellt die Verbindung zwischen rationalem Teil der Psyche und energetischer Ebene her.
Wenn die Psyche im ganzheitlichen, erweiterten Modus arbeitet, dann steht ihr eine zusätzliche Form von Erkenntnis zur Verfügung, welche man als „Erkennen der eigenen energetischen Realität“ bezeichnen könnte. Das Verhalten entkoppelt sich zu einem Teil von starren (objektiven = allgemeingültigen) äußeren Regeln und orientiert sich stattdessen an der eigenen (subjektiven = individuellen) energetischen Realität. Ich wollte damit nicht sagen, dass eines das andere ablöst. Beides hat in einem gewissen Maß seine Berechtigung. Nur die gegenwärtige fast vollständige Blockade subjektiver Erkenntnis verhindert viele Fälle von Heilung, wo Heilung eigentlich möglich wäre.