Beispiel 10: Inkontinenz
Nach dem Wasserlassen gibt es noch so eine Art „letzten Tropfen“, der eine gewisse Zeit später herauskommt, wie auch der auf Männer bezogene Spruch verdeutlicht: „Da kannst du schütteln mit Getose, der letzte Tropfen geht in die Hose.“ Das ist zunächst in einem gewissen Maß ein ganz natürliches Phänomen des Körpers, das auch ganz natürlichen Schwankungen unterliegt. Bei manchen Menschen kann das zu einem Zwangsverhalten führen, weil sie befürchten, schlecht zu riechen oder dass man es sehen könnte. Das Zwangsverhalten besteht z.B. darin
- nach dem Wasserlassen besonders lange zu schütteln
- den „letzten Tropfen“ unbedingt abwarten zu wollen, ehe man die Toilette verlässt
- sich etwas in die Hose zu legen, das den „letzten Tropfen“ auffängt
- mehrmals auf die Toilette zurückzulaufen, um ihn aufzufangen, ehe er in die Hose geht
- ständig das Gefühl zu haben, „jetzt kommt gleich was“
- mehrmals am Tag die Unterwäsche wechseln
Wenn dieses Zwangsverhalten ausufert und immer größeren Raum im Denken und Verhalten des Betroffenen einnimmt, verstärkt sich das Problem immer weiter, bis es schließlich zu dem wird, was man als „Inkontinenz“ bezeichnet.
Dies ist ein Beispiel für ein besonders heikles Thema, das von den Betroffenen möglicherweise aus Scham verborgen wird.
Dies ist aber gleichzeitig auch ein Beispiel dafür, wie ein eigentlich ganz natürliches und keineswegs irgendwie krankhaftes Phänomen als Problem angesehen wird und sich dann durch die Problemlösungsversuche so weit verstärkt, dass es krankhaft wird. Für dieses Muster gibt es zahlreiche weitere Beispiele, weshalb ich es als eigenes Erklärungsmodell herausstellen möchte, obwohl es eigentlich ein Spezialfall von Erklärungsmodell 1 ist: